Beispiel:
Syrien, der Irak, und der sogenannte “Islamische Staat”

Der Nahe und Mittlere Osten wird seit langem von Diktaturen geprägt. Dies gilt für fast alle Länder der Region, auch wenn es in einigen Ländern Wahlen gibt. Diese fanden oder finden aber oft unter Bedingungen statt, die einen Machtwechsel verhindern. Die Wahlen in Ägypten während der Diktatur Präsident Mubaraks sind ein Beispiel.

Der Irak unter Präsident Saddam Hussein und Syrien unter der Herrschaft Bashar Asads und zuvor seines Vaters Hafiz Asad waren bzw. sind besonders repressive Diktaturen, in denen Wahlen - soweit sie überhaupt durchgeführt wurden - den WählerInnen keine Wahl ließen, sondern nur Veranstaltungen zur Bestätigung und Legitimierung der Diktaturen darstellten.

Die arabischen Diktaturen, gleich ob republikanisch oder monarchisch, ob pro- oder anti-westlich, ob ideologisch “links” oder rechts, erweckten den Eindruck jahrzehnte langer, unerschütterlicher Stabilität. Hinter der Fassade einer versteinerten Staatlichkeit kam es zum Teil zu einem dynamischem Wandel der Gesellschaften, der im sogenannten “Arabischen Frühling” (ab 2010) mit den verkrusteten staatlichen Machtstrukturen kollidierte. Es kam zu einer regionalen Mischung begrenzter Reformen, Umstürzen, verschärfter Unterdrückung, Aufständen, und Bürgerkriegen, die den Nahen und Mittleren Osten in eine Phase der Krise und Bürgerkriege stürzte.

Der Irak stellte in diesem Zusammenhang einen Sonderfall dar, da er bereits 2003, also einige Jahre vor dem Arabischen Frühling, von den USA und einer US-geführten “Koalition der Willigen” militärisch besetzt worden war - hier erfolgte der Sturz der Diktatur von außen, durch fremde militärische Besatzer. Versuche der USA, im Irak eine stabile, pro-amerikanische Regierung zu installieren, scheiterten. Sie führten stattdessen zu einer Ethnisierung und Fragmentierung der Politik, zur Verschärfung der inneren Konflikte bis zum Bürgerkrieg, und zu einem politischen Vakuum - das wenig später von extremistischen Gruppen gefüllt wurde, die sich schließlich “Islamischer Staat” nannten.

In Syrien entwickelte sich aus der brutalen Unterdrückung gegen das Aufbegehren eines großen Teils der Bevölkerung gegen die Diktatur im Verlaufe des Jahres 2011 ein Bürgerkrieg, der bald weiter eskalierte. In den nächsten Jahren kam es zu einem immer stärkeren Zerfall der syrischen Gesellschaft, entlang religiöser bzw. konfessioneller Konfliktlinien, ethnischen Unterschieden, politischen Einzelinteressen, aufgrund konkurrierender ausländischer Unterstützer, aber immer stärker auch aufgrund eines halb oder ganz kriminellen Bandenwesens. Eine glaubhafte und attraktive Machtalternative zur Diktatur wurde so unmöglich - der Grund, warum die Diktatur sich langsam gegen die Opposition und Aufständen durchsetzen konnte. Ihre militärischen Erfolge waren eher das Ergebnis der politischen Selbstschwächung der Opposition, nicht ihrer militärischen Stärke oder der russischen Unterstützung. Dem sogenannten “Islamischen Staat” gelang es durch Skrupellosigkeit und Geschick, sich in weiten Landesteilen als dominierende politisch-militärische Kraft zu etablieren, was schließlich zur Etablierung eines “Khalifats” in großen Teilen Syriens und des Irak führte.

Der “Islamische Staat” (IS) entsprang einer Kombination der intakten Reste von Militärs und Geheimdienstlern der zusammengebrochenen Diktatur Saddam Husseins mit einheimischen extremistischen Gruppen. Aufgrund der Schwäche der politischen Strukturen im Irak und in Syrien gelang es dem “Islamischen Staat” zwischen 2014 und 2017, in Teilen Syriens und des Irak staatsähnliche Strukturen aufzubauen und eine repressive Herrschaft zu errichten, bis diese aufgrund einer internationalen Intervention zerschlagen wurden. Heute existiert der IS vor allem im Untergrund, hat allerdings vor allem im Irak aufgrund der Schwäche und politischen Fehler der Regierung dort wieder an Stärke gewonnen.