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Beispiel: Pakistan.

Pakistan geriet in den letzten zwanzig Jahren meist in die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit, wenn es um islamischen Extremismus, um Terrorismus und Gewalt ging. Tatsächlich wurden zeitweise bis zu 12.000 Menschen pro Jahr durch politische Gewalt getötet (einschl. durch Polizei und Militär), inzwischen sank das Gewaltniveau aber dramatisch, auf unter 300 im letzten Jahr. Vor allem die Zahl der Opfer durch die Pakistanischen Taliban (TTP) und andere religiöse Extremisten sank massiv. Zwar ist Pakistan in vieler Hinsicht instabil, aber die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert und ist in den meisten Landesteilen gut.

Trotzdem leidet Pakistan weiterhin an zahlreichen Problemen, wirtschaftlich, sozial, und politisch. Rund die Hälfte der Bevölkerung verdient nur den Mindestlohn (gegenwärtig um die 100 Euro) oder noch weniger, und die Inflation ist hoch (aktuell über 10 Prozent), gerade bei Nahrungsmitteln und Energie. Die sozialen Eliten allerdings pflegen einen Lebensstil, der deutlich über dem europäischen Lebensstandard liegen dürfte.

Pakistan ist seit 2007 - wieder einmal - formal eine Demokratie, die letzten beiden Regierungswechsel erfolgten, zum ersten mal, durch Wahlen. Allerdings: Die pakistanische Demokratie leidet unter ernsten Defekten. Die Parteien sind oligarchische Netzwerke, in denen lokale und regionale Bosse die Macht unter sich verteilen. Der Staatsapparat ist deformiert, da einem überentwickelten Militär viele staatliche Stellen gegenüber stehen, die unterentwickelt oder kaum funktionsfähig sind. Letztlich hat der pakistanische Staat seinen kolonialen Character auch nach der Unabhängigkeit nie aufgegeben - wenn auch nicht zum Nutzen Großbritanniens, sondern dem der einheimischen Eliten. Letztlich zieht das Militär (insbesondere das Heer) hinter den Kulissen die Fäden.

Ein Schlüsselproblem, das Pakistan seit der Unabhängigkeit plagt, liegt in dem ambivalenten Rolle der Religon, des Islam. Einerseits bemühten sich die staatlichen und sozialen Eliten, den Islam zur einigenden Staatsideologie zu machen, um angesichts der großen sozialen Unterschiede und der Vielfalt an Sprachen und Ethnien zumindest über ein einigendes Band zu verfügen. Allerdings hat dieser Versuch, bei dem der - sunnitische - Islam mit einer nationalistischen Zentralisierung der Politik verknüpft werden sollte, auch zu zwei schädlichen Ergebnissen geführt: Einmal führte es zur Tolerierung und Instrumentalisierung eines islamischen Extremismus, der seinerseits Konflikte herbeiführte, andererseits widersetzen sich viele Gruppen dieser Tendenz zur autoritären Zentralisierung - manche Autonomiebestrebungen wurden so noch angeheizt. Insgesamt ist Pakistan immer noch in einer Phase des “Nation-Building” und pendelt dabei zwischen autoritären und demokratischen Ansätzen.