Update zum Misstrauensvotum in Pakistan

Wie das in Pakistan öfter so ist: Die Lage ist kompliziert. Die Opposition hat einen Misstrauensantrag gegen den Ministerpräsidenten eingebracht, über den die Nationalversammlung nun voraussichtlich am 28. März abstimmen wird. Das klingt eher übersichtlich, wenn man von der Einschränkung einmal absieht, die das Wort “voraussichtlich” enthält.

Tatsächlich aber darf man gegenwärtige einen politischen Kampf bis aufs Messer bestaunen, der zumindest an drei Fronten geführt wird:

  1. Letztlich wird der Konflikt natürlich danach entschieden, wer die nötige Zahl an Abgeordneten hinter sich bringt, die von der PTI geführte Regierung oder die Opposition. Dieses Tauziehen ist noch nicht endgültig entschieden, wenn auch die Opposition gegenwärtig die Nase vorne zu haben scheint. Dabei werden von beiden Seiten auch Mittel eingesetzt, die zweifelhaften Charakter tragen, einschließlich Versprechen auf spätere Vorteile. Wie hart diese Auseinandersetzung geführt wird lässt sich unter anderem daran ablesen, dass mehr als ein Dutzend Abgeordnete der PTI sich in das Gebäude der Provinzregierung des Sindh begeben haben, die von der oppositionellen PPP gestellt wird - und dort von Polizisten des Sindh beschützt werden, nicht von denen der Hauptstadt Islamabad. Die Abgeordneten wollen sich so dem Druck ihrer eigenen Partei entziehen, also voraussichtlich gegen die Regierung stimmen. Anhänger der PTI haben deshalb vor dem “Sindh-House” demonstriert und sind gewaltsam in das Gebäude eingebrochen. Der Kampf um die parlamentarische Mehrheit wird also in aller Härte geführt, mit den entsprechenden Unsicherheiten, die so etwas mit sich bringt.

  2. Die zweite Front des Kampfes findet vor den pakistanischen Gerichten statt, insbesondere vor dem Supreme Court. Regierung, Opposition, und die Gemeinschaft der vor dem Supreme Court zugelassenen Rechtsanwälte haben sich mit sehr unterschiedlichen Anträgen an das Gericht gewandt, die sich alle auf das bevorstehende Misstrauensvotum oder seine Verfahren beziehen. Besonders pikant ist die Bitte der Regierung, dass das höchste Gericht den umstrittenen Artikel 63-A der Verfassung erläutern und interpretieren solle - dieser sieht vor, dass Abgeordnete, die gegen die Linie ihrer jeweiligen Partei abstimmen, ihre Mandate verlieren können. Die PTI-Regierung möchte diesen Paragraf nun nutzen, um ihre potentiellen Abweichler an der Abstimmung zu hindern - eine leicht bizarre Vorstellung, weil es die fraglichen Abgeordneten nur aufgrund eines Verdachts entmündigen würde, nicht aufgrund eines bereits erfolgten, tatsächlichen Verhaltens.

  3. Schließlich haben beide Seiten sich entschieden, Massen ihrer Anhänger zu Großdemonstrationen nach Islamabad einzuladen, um für oder gegen einen Sturz der Regierung zu demonstrieren. Ministerpräsident Imran Khan drohte mit “einer Million” Anhängern, die das Parlamentsgebäude blockieren könnten - und die Opposition hat am gleichen Tag und am gleichen Ort ebenfalls Massendemonstrationen angekündigt, um des Parlament und die Abstimmung zu “schützen”. (Auch in dieser Frage sind die Gerichte eingeschaltet.) Sollten tatsächlich zwei Massendemonstrationen vor der Abstimmung aufeinandertreffen, ist Gewalt bis hin zu Straßenschlachten wahrscheinlich - und damit eine (vorläufige?) Absage der Abstimmung aus “Sicherheitsgründen” zumindest nicht mehr ausgeschlossen.

Gegenwärtig sieht es so aus, als habe die Regierung ihre Mehrheit im Parlament verloren - aber die gegenwärtige Lage ist so komplex und im Fluss, dass eine Vorhersage des Abstimmungsergebnisses (oder auch nur einer Abstimmung) höchst schwierig ist.

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Russlandpolitik und Größenwahn

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Pakistan: Die Regierung von Imran Khan vor dem Ende?