Trump in Pakistan? - Politik und Irrsinn in Islamabad

Seit Wochen treibt die Temperatur der politischen Erregung in Pakistan einem Siedepunkt entgegen – und immer, wenn man denkt er sei erreicht, wird er kurz darauf noch einmal übertroffen. Dabei kommt es zu Absurditäten und Verrücktheiten, die man kurz zuvor noch unmöglich gefunden hätte, selbst wenn man an solche gewöhnt ist.

Am 8. März hatte die Opposition bekanntlich einen Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Imran Khan von der PTI eingebracht. Es folgte – erwartungsgemäß – ein bizarres Geschacher beider Seiten um die Unterstützung von einzelnen und Gruppen von Abgeordneten, bei der die gegenwärtige Regierung schließlich den Kürzeren zog. Das war zwar schändlich, aber keine Überraschung. Das kleinliche Getrickse des Parlamentspräsidenten, um die fällige Abstimmung noch einige Tage hinauszuzögern und die allgemeine rhetorische Überhitzung der politischen Debatte waren Irritationen, die nur zu Kopfschütteln Anlass gaben. Eine detailgetreue Nachzeichnung sämtlicher oder auch nur der wichtigsten Wendungen würde unseren Rahmen hier sprengen und die geneigten LeserInnen auch verwirren.

Dann aber begann der Irrsinn hohe Wellen zu schlagen. Der Ministerpräsident erklärte, dass ihm finstere Mächte nach dem Leben trachteten. Kurz zuvor hatte er behauptet, dass eine „ausländische Regierung“ eine große Verschwörung unternehme, um ihn durch das Misstrauensvotum der Opposition zu stürzen. Die USA steckten hinter dieser Unternehmung, und man müsse ihnen (und dem „Kapitalismus“) Widerstand entgegensetzen. Die Abgeordneten, die gegen ihn zu stimmen beabsichtigten, seien Verräter im Auftrag einer äußeren Macht. Zum Beweis wedelte er bei einer Rede an seine Anhänger mit einem Blatt Papier herum, das seine Vorwürfe belege, das er sich aber weigerte zu veröffentlichen. (Das National Security Committee der Regierung beschloss nach Diskussion, das Außenministerium als zuständige Stelle solle sich um die Angelegenheit kümmern– kein Zeichen besonderer Aufgeregtheit oder Dringlichkeit.) Und so weiter, und so fort. Auch hier wären weitere Detail wohl unterhaltsam, aber überflüssig.

Heute dann kam der Tag der Abstimmung in der Nationalversammlung. So dachte man zumindest. Kaum wurde um 8:30 Uhr deutscher Sommerzeit (11:30 pakistanischer Zeit) die Sitzung eröffnet, um über den Misstrauensantrag zu entscheiden, entschied der stellvertretende Speaker der Nationalversammlung (Qasim Shah Suri) als Sitzungsleiter, dass der Antrag der Opposition nicht zur Abstimmung zugelassen würde, da er laut Artikel 5 der Verfassung verfassungswidrig sei. Dazu muss man wissen, dass dieser Artikel 5 nichts mit der Fragen von Abstimmungen im Allgemeinen und noch weniger mit Misstrauensanträgen zu tun hat, sondern feststellt, dass „die Loyalität zum Staat die Pflicht jeden Bürgers“ sei. Und da dieser Antrag ja eine ausländische Verschwörung wäre, könne er nicht zugelassen werden – das widerspreche schließlich der „Loyalität zum Staat“.

Damit ist der Misstrauensantrag – erst einmal – vom Tisch, durch einen klaren Verfassungsbruch des Stellvertretenden Parlamentspräsidenten. Faszinierend.

Nun, das wird zu einer weiteren Zuspitzung der politischen Erregung und Polarisierung führen, und zu einer baldigen Entscheidung des Verfassungsgerichtes, diesen Willkürakt aufzuheben. Beunruhigend ist auch, dass sowohl aus Kreisen der Regierung wie der Opposition in den letzten Tagen Stimmen laut werden, die das Militär zum Eingreifen auffordern. Gerade das hätten Pakistan gerade noch gefehlt. Der Geist von Trump schwebt über Islamabad.

 

PS:

In diesem Moment flattert gerade die Nachricht auf den Bildschirm, dass der Präsident Pakistans, Arif Alvi, auf den Rat des Ministerpräsidenten Imran Khan (der unter sauberen Umständen heute aus dem Amt gewählt worden wäre) soeben die pakistanische Nationalversammlung aufgelöst hat. Es fällt schwer, die Ereignisse des heutigen Tages nicht als einen Mini-Putsch zu betrachten. Sehr ungewöhnlich, da in Pakistan bisher noch nie jemand putschte, der keine Uniform trug. Und nicht sehr aussichtsreich, da das Militär in den letzten Tagen hat durchblicken lassen, von Imran Khans Regierung ebenfalls genug zu haben.

Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts hat erklärt, dass sich das Gericht mit der Verfassungsmäßigkeit der letzten politischen Akte baldigst befassen werde. Wir dürfen von einer Aufhebung der heutigen Entscheidungen (insbesondere der Verhinderung des Misstrauensvotums) ausgehen – was dann in der Schlangengrube weitere Hektik auslösen würde.

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Vor der Abwahl des Ministerpräsidenten in Pakistan