Das 2-Prozent-Ziel der NATO

Schon vor der aktuellen Debatte um die Aufrüstung der Bundeswehr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine war immer wieder von der Verpflichtung der Bundesrepublik die Rede, 2 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für das Militär ausgeben zu müssen. Der NATO-Gipfel 2014 in Cardiff habe dies festgeschrieben, und die Bundesrepublik habe sich dazu verpflichtet. Auch international ist davon immer wieder die Rede, etwa in einer Studie von “Carnegy Europe” von 2015 zum 2-Prozent-Ziel: “The members of the North Atlantic Treaty Organization (NATO) pledged in 2014 to increase their defense spending to 2 percent of their gross domestic products by 2024.”

In der gegenwärtigen Debatte gibt es eine bedenkliche Tendenz, die neue Politik der Aufrüstung nicht inhaltlich und politisch zu begründen (wofür braucht man welches Rüstungsmaterial, und was wird dies kosten?), sondern sich hinter dem 2-Prozent-Ziel der NATO zu verstecken. Als gute Team-Player wollen wir ja unsere Verpflichtung dem gemeinsamen Bündnis gegenüber einhalten.

Das Problem ist dabei, dass es eine solche Verpflichtung nicht gibt, und dass auf dem NATO-Gipfel von 2014 eine solche eben nicht beschlossen wurde.

Die Wales Summit Declaration der Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsländer sprach in ihrem Punkt 14 vielmehr vom Ziel der mindestens zweiprozentigen Militärhaushalte (gemessen am BSP) in ausgesprochen vagen und eben nicht verpflichtenden Worten. Die Formulierung (in Punkt 14) lautet:

“Taking current commitments into account, we are guided by the following considerations:

  • Allies whose current proportion of GDP spent on defence is below this level will:

    • halt any decline in defence expenditure;

    • aim to increase defence expenditure in real terms as GDP grows;

    • aim to move towards the 2% guideline within a decade with a view to meeting their NATO Capability Targets and filling NATO's capability shortfalls.”

Dabei sollte folgendes nicht übersehen werden: Erstens bezieht sich der gesamte Absatz darauf, welche Erwägungen die NATO-Mitglieder leiten (sollten). Das ist etwas ganz anderes als eine Verpflichtung. Sonst hätten die Regierungschefs nämlich geschrieben “We commit ourselves to”, anstatt “we are guided by the following considerations”.

Zweitens: Diese “Erwägungen” statt Verpflichtungen bestehen des Weiteren darin, “to aim to move towards”, also in der Absicht, sich in einem Jahrzehnt in eine bestimmte Richtung zu bewegen (gemeint ist das 2-Prozent-Ziel). Diese Erwägung einer Absicht ist vage, und offensichtlich etwas ganz anderes als eine Verpflichtung.

Wir dürfen im Übrigen sicher sein, dass die Horden von Beamten und Bürokraten, die in solch großen Gipfeltreffen eingebunden sind und in der Regel eine juristische Ausbildung haben, nicht aus Schlafmützigkeit solche Wischi-Waschi-Formulierungen übersehen haben. Kurz und gut: Der NATO-Gipfel 2014 in Cardiff hat erkennbar mit dem Finger in Richtung des 2-Prozent-Ziels gezeigt, aber eine Verpflichtung dazu nicht beschlossen.

Eine Verpflichtung zur Aufrüstung aus diesem Beschluss herauszulesen ist - soweit nicht der Unkenntnis geschuldet - ein Taschenspielertrick, der nicht zum Ausgangspunkt einer wichtigen sicherheitspolitischen Debatte werden sollte.

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Russlandpolitik und Größenwahn