Der Krieg in der Ukraine und die Bundeswehr

 

Wladimir Putins militärischer Überfall der Ukraine hat offensichtlich die politische Landkarte Europas grundlegend verändert. Dazu gehört ein dramatisch gewachsenes Gefühl von Unsicherheit und militärischer Bedrohung, weit über die Ukraine hinaus. Ein Teil des Problems liegt im zerstörten Vertrauen zwischen den Staaten, insbesondere gegenüber Russland: Die dauerhaften Lügen der russischen Regierung (“wir planen keinen Angriff auf die Ukraine”, oder “wir haben die Ukraine nicht angegriffen”, “es geht um die Entnazifizierung der Ukraine”) sind eines Trump würdig. Mit anderen Worten, sie sind schamlos und dreist. All das ist bekannt und wir sind dabei, uns daran zu gewöhnen.

Es ist deshalb nicht überraschend, dass sich im Rest Europas das Gefühl ausgebreitet hat, sich gegen Russland, das unprovoziert ein Nachbarland unter absurden Vorwänden überfallen hat und gerade in Schutt und Asche legt, schützen zu müssen. Das ist nicht nur verständlich, sondern auch vernünftig.

Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang eine grundlegende Änderung ihrer Militärpolitik beschlossen: Waffenexporte in ein Kriegsgebiet (nicht ganz so neu, wie manche heute vorgeben) und eine beispiellose Aufrüstung der Bundeswehr, um kurzfristig 100 Milliarden Euro an “Sondervermögen”, plus eine dauerhafte, massive Steigerung des Verteidigungshaushaltes.

Darüber könnte man reden, prinzipiell, weil sich die Bedrohungslage in Europa ja ebenso massiv verschärft hat. Was aber Anlass zur Sorge geben sollte ist dies: Die Bundesregierung hat eine solch dramatische militärische Aufrüstung beschlossen, ohne anzugeben, angeben zu können, oder auch nur darüber nachgedacht zu haben, was mit dieser Geldflut eigentlich verbessert werden soll. Es gibt kein neues Konzept, keine Diskussion um die neue sicherheitspolitische Strategie, die erforderlich ist, um die Verwendung des Geldes anzuleiten. Eigentlich sollte man erwarten, dass zuerst einmal geklärt wird, was die Bundeswehr in Zukunft anders machen müsste als bisher, und wie. Dann wäre zu diskutieren, was sie dazu benötigt – und dann sollte man über die Finanzierung sprechen. Hier ist es umgekehrt: Es werden dreistellige Milliardenbeträge zu Verfügung gestellt, ohne zu wissen wofür. Nun kann jede militärische und zivile Interessengruppe die Hand heben und Ansprüche anmelden. Bei unseren Erfahrungen mit den Beschaffungswesen der Bundeswehr ist das furchterregend. Außerdem: Wie will man bei den Beschaffungen beurteilen, ob sie überhaupt der neu zu entwickelnden Strategie diesen werden, falls es noch gar keine gibt? Wie werden Prioritäten entschieden? Erst kaufen, dann überlegen? Wie können wir sicher sein, dass die neuen Beschaffungen wirklich ausschließlich der Landesverteidigung dienen, und nicht dem Einsatz der Bundeswehr in weit entfernten Ditte-Welt-Einsätzen? Oder soll die russische Aggression auch dazu genutzt werden, in diesem Bereich ebenfalls hochzurüsten? All dies sind keine rhetorischen Fragen, sondern Voraussetzungen einer rationalen Planung.

Denken wir auch daran: Militärische Übermacht, der Umfang und die technische Ausstattung von Streitkräften sind keine Garantie für mehr Sicherheit oder militärischen Erfolg. Das haben die USA im Irak erlebt, die NATO in Afghanistan. Und im Moment sieht es so aus, als würde Putin es in der Ukraine noch einmal lernen.

Kurz und gut: Wegen des russischen Angriffskrieges muss man tatsächlich ernsthaft und zügig darüber nachdenken, wie man sich auch militärisch besser vor weiteren Aggressionen absichert. Und das kann auch zu deutlich höheren Rüstungsausgaben führen. Aber wir sollten darauf bestehen, dass keine dreistelligen Milliardenbeträge konzeptionell freihändig vergeben werden. Also, noch einmal: Was genau sind die neuen Aufgaben der Bundeswehr? Wie soll sie diese konkret erfüllen? Was benötigt man dafür? - Und dann lässt sich rational über die Kosten reden. Und erst dann.

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Pakistan: Die Regierung von Imran Khan vor dem Ende?